Fixierung 2011
[2010/11 – Fixierung]
Die Fixierung als solche – es ist schwer, dies für Leute zu beschreiben, die so etwas noch nie erlebt haben. Das ist ja nicht nur das Fesseln, nicht nur dieses Unbeweglichsein, es ist dieses absolute Ausgeliefert-Sein, dieser Zustand, wo man wirklich daliegt. Man weiß nicht, wie man da reingekommen ist. Also es ging mir ganz oft so, dass ich gar nicht mehr wusste, wie biste in die Fixierung reingekommen. Du wirst wach. Und dir wird auf einmal bewusst: du bist in der Fixierung drin. Und dann schreist du dir einfach nur die Lunge aus dem Leib.
So stelle ich mir Kreuzigung vor. Das ist ein Zustand der absoluten, puren, reinen Angst. Der absoluten Todesnähe. Das sind sehr, sehr, sehr schlimme Qualen, die du aushältst, und zwar zugefügt von den Leuten, die dir nachher als Pfleger wieder, was weiß ich, Abendessen zubereiten oder dich zu irgendwelchen Gruppenterminen einladen oder sonst etwas. Das ist das Perverseste überhaupt, was es in der ganzen Psychiatrie gibt, die Fixierung. Wie man spürt, wie man sich nicht mehr bewegen kann. Bei mir ist es so: durch die ganzen Angst- und Stresssymptome habe ich ziemlich viele Eiterbildungen in den Stirnhöhlen und es ist alles zu mit Schleim und Eiter und was weiß ich nicht alles. Und dann liegst du da und kannst dich nicht einmal schnäuzen, gar nichts, und du kannst auch nichts sagen.
In den letzten Jahren liege ich oft einfach da und denk mir: Scheiße, was wäre, wenn du noch einmal in der Fixierung wärst. Ich komme ja in regelmäßigen Abständen in die Fixierung. Manchmal für Stunden, manchmal sogar für Tage. Wie beim letzten Mal für 3 Tage. Dieses absolute Ausgeliefert-Sein. Dieses absolute … du kannst nichts dagegen tun. Du liegst da. Du bist machtlos, du bist einfach nur, du bist hilflos, du bist, das ist… Wie soll man, wie soll man einen Sinn da hinein packen, wie soll man da einen Sinn drin sehen, in einer Fixierung.
Es ist ja nicht so, dass ich da mordend durch die Psychiatrie gerannt bin oder sowas. Ich war vielleicht verbal mal etwas aggressiv, dass ich da meinen Mund aufgemacht habe und gesagt habe, ich will hier raus, oder ich will meinen Anwalt sprechen oder sonstwas, oder bin den Leuten einfach auf die Nerven gegangen. Ich bin einmal fixiert worden, da habe ich mich mit dem Arzt unterhalten, und der Arzt war anderer Meinung. Der hat mir einen reingedrückt von wegen ich hätte eine Liebespsychose mit der Diana damals und was weiß ich nicht alles, und ich habe dem da dann meine Argumente entgegen geschleudert und hab gesagt: Hey Junge, ich sehe das ein bisschen anders als du. Und das ist ein Recht, mich so zu fühlen. Und dann war ich eine halbe Stunde, quatsch 20 Minuten später war ich dann wieder in einem anderen Zimmer, im Raucherzimmer, war alles ganz normal, und plötzlich kommt da eine Staffelei von 10 Pflegern angerannt und fixieren mich da. Überwältigen mich mit einem Kraftakt, mit einer Brutalität, dass es nur so kracht. Dem Arzt habe ich noch mit meinem Ellenbogen in den Brustkorb hineingeschlagen. Ich habe mich halt verteidigt. Das ist klar. Wenn da 10 Pfleger kommen, dann versucht man erst einmal sich zu verteidigen und sagt: hey Leute, lasst den Scheiß sein. Man merkt richtig, wie die Spaß daran haben. Die Leute haben einen Spaß, einen Genuss, eine Lust daran, einen zu fixieren, da kann mir kein Mensch das Gegenteil beweisen. Es ist nicht nur eine schlimme Aufgabe, die die machen müssen. Wenn die nur halbwegs menschlich wären, wenn die nur halbwegs was auf dem Kasten hätten, dann würden die in den Situationen, in denen ich fixiert worden bin, gesagt haben: der Typ muss gar nicht fixiert werden, warum? Der macht doch gar nichts, der sitzt da rum oder er gibt seine Kommentare ab, aber der macht nichts gefähliches, der ist weder aggressiv zu uns noch aggressiv zu anderen und ….. ja, das ist halt ….
Es ist eine Aufsummierung von Leid, was nicht abgetragen wird. Also ich merk das bei mir ganz deutlich, dass ich …. wie soll man das sagen …. ich speichere das in mir drin. Ich habe manchmal so eine Angst, dass ich mich nicht bewegen kann, dass ich wieder in einer Fixierung bin… Ich habe Einschlafstörungen seitdem, ohne Ende. Ich habe Panikzustände, und man fragt sich immer: wofür? Wenn ich eine Straftat begangen hätte, wenn ich irgendwie etwas böses gemacht hätte, einen umgebracht hätte oder was weiß ich, schlimme Sachen gemacht hätte, ok, wir sind jetzt im Mittelalter, es nicht alles heile Welt, jetzt wirst du halt fixiert. Aber ich habe nie dergleichen begangen. Ich hab mich verbal zur Wehr gesetzt oder war denen einfach nur lästig, und dann wirst du einfach fixiert. So mir nichts, dir nichts, und die wissen gar nicht was sie damit für einen Schaden anrichten.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Fixierungen, dass die Energie, die bei den Fixierungen entsteht, dass die der Motor ist, der Motivator für die nächsten Zwangseinlieferungen. Diese Angst, die da gespeichert wird, die macht in mir einen so rebellisches, aggressives Potential frei, dass ich so eine Wut in mir drin habe, so eine Angstwut, die ist fast nicht zu händeln usw. Und dann bin ich halt nicht mehr der Angepasste, der sich unterdrücken lässt und alles geduldsam über sich ergehen lässt.
Mit mir passieren Sachen, die sind doch nicht mehr ganz normal. Du wirst in die Zwangspsychatrie eingeliefert, du wirst fixiert, wann immer es den Leuten irgendwie passt. Wann immer es denen irgendwie passt, können die die Bullen rufen, dann sind 5 Bullen um dich rum, da kriegst du Panik, und diese Panik nutzen die aus und sagen: ja gut, da ist der wieder manisch. Beim letzten Mal war es genau so, wo ich im Hotel war. Ich hab gesagt: Leute, lasst mir meine Ruhe, lasst mich in Frieden, und die haben immer weitergemacht: zack, jetzt müssen wir die Polizei rufen, immer weiter den Druck erhöht, den Druck erhöht, und ich stelle fest, die Leute haben ein Glücksgefühl, haben ein Wohlgefühl, wenn sie sehen, dass in mir die Panik steigt und dass in mir die Verzweiflung steigt und die Enttäuschung steigt. Dann kriegen die irgendwie ein gutes Gefühl, und dann, dann rufen die die Polizei an und dann wird gesagt: der ist manisch, holt ihn mit. Und dann wirst du fixiert.
Ich bin ja teilweise – beim letzten Mal, bei der letzten Einlieferung bin ich mit denen reingejoggt in die Klinik und bin dann wieder zu mir gekommen, als mir irgend so eine Krankenschwester am Pimmel rumgespielt hat und mir so eine Bettflasche einführen wollte. Und das auf dem Flur, wo alle Leute zugucken konnten und alle Leute dabei waren, ob Mädels, ob Jungens, egal, mitten auf dem Klinikflur… Das ist so entwürdigend ist das …
Da ist einfach nur eine Leere, da ist einfach ein schwarzer, schmerzhafter Fleck. Und das ist so ein Trauma, es summiert sich, wie gesagt, es ist eine Ansammlung von Schmerzen, die ich so nicht mehr gehändelt kriege und die mich mein Leben lang beeinflussen und mich zu diesem jammerhaften Hermann gemacht haben, der ich jetzt nun halt nun bin. Diese Fixierungen die sind nachhaltig. Das erlebt man einmal. Und wenn man das dann 10 Mal oder wie in meinen Fall jetzt schon 13 oder 14 Mal erlebt hat: Man ist nicht mehr derselbe, man ist einfach ein anderer Mensch, man ist durch die Angst dominiert, durch die Angst vor der Fixierung. Und jeder kann es! Sogar mein guter Freund Tom, zack, der ruft einfach die Bullen an, wo ich da verzweifelt in seinem Büro lag, und sagt: Junge lass mich doch bitte jetzt mal in Ruhe, ich brauch jetzt einfach mal meine Ruhe. Und er hat mich immer weiter provoziert und immer… anstatt Gas aus der ganzen Geschichte herauszunehmen. Da wird dir der Strick immer enger gezogen, und die Leute wundern sich, warum ich nach Ruhe bettele und schreie und bete und lasst mich bitte in Ruhe, und die können es nicht sein lassen sind dann überfordert mit Situation und rufen die Polizei.
Ich will es einfach nicht mehr. Ich will nicht mehr fixiert werden. Das ist wie sterben, das ist wie sterben, das ist wie sterben. Und das färbt so aufs Leben ab. Es färbt so ab. Es färbt so aufs Leben ab. Es färbt sich auf das Leben ab. Das kann sich kein Mensch vorstellen. Das sind die Fixierungen. Also die sind …. Ich will die meinem schlimmsten Feind nicht zumuten. Das ist Demütigung und Schmerz pur. Das hat kein Mensch verdient auf dieser Welt. Absolut nicht. Ja. Ich hoffe, dass ich da nie wieder rein muss. Das ist der Horror. Das ist der absolute Horror.
Schrecklich 🙁 ich habe ähnliches erlebt.. Lg