Lange Geschichte II 2010/11

 

2010/11 – lange Geschichte]

Worauf es in der Psychiatrie ankommt, das ist einfach, diejenigen, die sich unterordnen lassen, die werden gepampert, mit denen wird halt ein schönes Programm abgezogen, es wird sich getroffen einmal am Tag, dann wird in der Runde alles bequatscht, alles wunderbar. Aber diejenigen die sich querstellen, die sagen nein, ich gehöre nicht hierhin, ich will nicht hierhin, ich wurde hier gefoltert, mir tuts weh, die werden separiert. Und die kriegen noch härter die Knute zu spüren. Das ist ein System im System. Das ist ohnehin schon ein Unrechtssystem, und in dem Unrechtssystem gibts noch mal ein System.

Ich hätte nie gedacht, dass so etwas existiert, hier in der Bundesrepublik, wo man ja groß geworden ist als Dumpfbacke mit Peter Lustig im Fernsehen, alles vom Feinsten, hier, lern was, dann kannst du was, dann bist du was, dann hast du eine Happy-Nation, nimmst du teil an der Love-Parade hier, alles wunderbar. Das ist ein Trugbild. Ich habe, auch gerade jetzt hier in Berlin, festgestellt, das ist immer noch ein ganz faschistoider Laden. Zumindest wenn du herunterkommst auf die gesellschaftliche Ebene der Armut. Da bist du ausgeliefert im System, und es gibt Leute, die stellen sich da quer bzw. nutzen das aus oder, ja, ergeben sich dem, und ich glaube, ich gehöre zu Letzteren. Ich habe mich dem System ergeben, weil es ist müßig alleine dagegen anzukämpfen. Man kann das nicht, wenn nicht mal mehr die eigene Familie an einen glaubt, wenn die eigenen Familie nur das Kranke in einem sieht, nur das Kranke.

Ich produziere mittlerweile auch kranke Gedanken. Also nach diesen Höllentrips in der Psychiatrie, wenn du danach noch mal in eine Manie reinkommst, dann … ich erzähle dann einen Scheißdreck und verwirre dann so Sachen zusammen und Verletzungen werden verstärkt hoch zehn und mit biografischem Hintergrund vermengt, und da kommt so viel Scheiße raus. Dann habe ich so viel Telefonterror gemacht, so viele Leute angerufen, einfach wahllos Nummern aus meinen Gemeinden und den Leuten da so viel private Sachen erzählt. Ich habe einfach sehr viel Scheiße gemacht, und das ist alles auf dem Mist der Angst gewachsen. Und diese Angst hat mir die Psychiatrie gemacht. Ich habe versucht, Aufsehen zu erregen, ohne Ende, dass die Leute sich mit mir beschäftigen, aber es passiert gar nichts.

Es befasst sich keiner mit meiner Situation. Es werden irgendwelche Gutachten geschrieben, die sich alle so gleichen, das ist so lächerlich. Das sind Vordrucke, da werden seit zehn Jahren die gleichen verwendet. Es ändern sich nur noch der Name der Betreuerin und das Datum. Sonst ist das fast wörtlich alles das Gleiche. Und man ist da drin gefangen. Es ist eine Fressmaschine für die Psychopillen. Nichts anderes ist es. Es ist eine Maschinerie, die sich selber sagt: ok, wir können nicht helfen, aber wir können ein schweinemäßiges Geld umsetzen. Und das ist es einfach. Das ist es, eine Psychiatrie ist immer eine Verwahranstalt mit Medikamenten, die betäuben, aber nicht heilen, nichts anderes ist das. Die sind so hilflos wie im Mittelalter, wo sie die sogenannten Irren in riesengroßen Räumen zusammengesperrt und angekettet haben. Genauso hilflos ist die Psychiatrie heute auch noch, nur dass sie heute keine Ketten mehr verwenden, sondern Psychopharmaka.

Die Psychopharmaka sind die Ketten, und damit wirst du dein Leben lang an die Kette gelegt. Und das macht so viel Unsinn mit deinem Gehirn, das ist, als wärst du die ganze Zeit auf Droge. Und da bist du ja auch entweder aggressiv oder missmutig gelaunt oder du hast mal einen guten Turn, aber round about macht doch 80 bis 90 Prozent der ganzen Drogeneinnahme doch einfach nur den Kater aus und die schlechte Laune. Diese ganze Psychiatrie, das ist ein System, was dazu dient, den pharmazeutisch-technischen Komplex aufrechtzuerhalten. Und zwar mit Milliarden. Wenn ich mir überlege, dass ein Tag in der Psychiatrie über 350 Euro kostet oder dass ich dann dem Staat oder dem Gesundheitssystem 350 Euro koste, de facto der Psychiatrie und den anhängenden Konzernen so viel Geld einbringe, das sind Milliarden Werte die da umgesetzt werden jährlich. Und es ist ganz klar, wo das hingeht. Das sind die gefallenen Kinder des Kapitalismus, die werden in der Psychiatrie entsorgt, die werden da verwaltet, die werden da bewahrt, aufbewahrt und nach einer Zeit wieder laufen gelassen. Unter dem Oberbegriff „klein halten“ kann man das führen. Wenn man das Glück hat, aus dem Kreislauf wieder rauszukommen, dann hat man echt ein verdammtes Glück. Das sind unter 2 Prozent, die da wieder rauskommen. Tja, und ich will da auch dazugehören. Aber momentan weiß ich nicht, wie ich das machen soll.

Auch die Eltern werden eingespannt in das System. Es gibt Betroffenenseminare, Angehörigenseminare, und die Leute werden da geschult, ihre Kinder müssen Medikamente nehmen. Da werden dauernd schöne Berichte gezeigt von Kindern, denen es wieder ganz gut geht, die wieder schön arbeiten. Der Ingenieur, der jetzt sein Glück gefunden hat in der kleinen Gärtnerei, wo er den ganzen Tag Blumen umtopft und super glücklich ist und seine Medikamente nimmt und alles ist perfekt und alles ist wunderschön, Hauptsache er nimmt seine Medikamente. Er darf auch schon wieder alleine wohnen … das kriegen die da eingebläut. Und ich bin da so das super Negativbeispiel. Ich bin der einzige, der das nicht gepackt hat in dieser Elterngruppe, meine Eltern sind diejenigen, die immer noch da sind, und das ist so deprimierend.